Jana Wittlichová über Jiří Altmann

Wohl zu keinem anderen Material hat der Mensch und Künstler eine so enge Beziehung wie zum Holz. Holz lebt, ändert sich und wächst – wie der Mensch auch, und deshalb verstehen sich beide schon Jahrtausende lang. Selbst unsere Zeit synthetischer Materie und experimentaler Techniken, erfinderischer Methoden und einer raffinierten Künstlersprache hat Holz nicht ad acta gelegt: auf Holz greift der Architekt zurück, um den Menschen das Gefühl eines Zuhauses nahe zu bringen, der Bildhauer, um seiner Vorstellung Leben zu geben, der Grafiker, um seinen Blättern eine verständliche und deutliche Sprache zu verleihen. Fragt man Jiří Altmann, wann er sein Schaffen mit Holz verband, kehrt er in seine Studienzeit zurück. In der Klasse von Professor Tittelbach hatte er sich derart dem Holz verschrieben, dass er als Abschlussarbeit an der Akademie 1966 einen Blätterzyklus zu den Gedichten Francoise Villons vorlegte. Altmanns Beziehung zum Holzschnitt wurzelt in seinem passionierten Handwerk, in der Freude, die ihm ein direkter Umgang mit dem Material bereitet. Das Bestreben, die Technik, die er sich in all ihrer Fülle ausgesucht hatte, im eigentlichen Milieu ihrer Entstehung und einer jahrhundertelangen Tradition kennen zu lernen, führte ihn für zwei Jahre nach Deutschland, in das Land von Dürer und Gutenberg. Dort arbeitete er in den Druckwerkstätten von Essen, wo er sich Klarheit verschaffte über die beiden Pole seiner Grafik: das freie Schaffen und die Illustration sowie ihr gegenseitiges Durchdringen. Die tragende Konstruktion des Altmannschen Holzschnitts, seiner beweglichen plastischen Form und seines gespannten Dramas, der schwarzweißen Kontraste, ist der literarische Text, der feilich mit rein künstlerischen Mitteln in symbolischer Kürze und der bildhaften Metaphorik von Zyklen mitgeteilt wird. Die historische Wirklichkeit der Holzschnitte gründet auf zyklischen Ausdrücken, die Altmann respektiert, weil sie es ihm erlauben, die Geschichte in mehreren Handlungsebenen und unter mehreren Blickwinkeln zu entfalten. Genau so ist der Zyklus zu den Gedichten von Villon, zu den Versen von Alexander Blok, zu Boccaccios Decamerone und auch eine wie Balladen komponierte Reihe von Blättern zum Thema Die Tragödie von Lidice. Einzigartig zu nennen ist ein Zyklus, den der Grafiker „Anfang und Ende“ benannte, in dessen bislang noch unabgeschlossener Folge Überlegungen und Beobachtungen, Fragen und Antworten einander abwechseln, ganz so, wie sie das Leben und die Zeit mit sich bringen. In jüngster Zeit stellen sich Altmann auch Aufgaben, die sich aus gegenwartsbezogenen Themen ergeben, die zivile und sachliche Komponente des Zyklus FAMILIE. Sie dämmt die expressive Hyperbel und bindet die kompositionelle Lockerung des Holzschnitts, und in diesem Konflikt, so scheint es, stellt sich auch die Frage, welchen weiteren Weg die Arbeit des Grafikers einschlagen wird.

 

Jana Wittlichová 1974