Blanka Stehlíková über den Autor

Der diesjährige Jubilar Jiří Altmann ist ein Künstler, in dessen Händen Holz zu neuem Leben erwacht. Aus einem Baum vermag er einen Balken zu zimmern, eine Treppe zu errichten, einen funktionstüchtigen Tisch anzufertigen, der zugleich ein Kunstobjekt ist, eine Skulptur zu schnitzen, aber auch eine Platte oder einen Block für seine Holzstiche und vor allem seine Holzschnitte herzurichten. Dem Block verleiht er durch Glätten Glanz, ein andermal wiederum nutzt er die Längsstrukturen des Holzes, oder die Struktur der Jahresringe – jenes Gedächtnis des Holzes – wird zu einem vollwertigen Bestandteil der grafischen Blätter. Dabei ist die vollkommene Beherrschung des Holzschnitts, seiner nahezu ausschließlichen grafischen Technik, nicht sein Ziel, sondern nur Mittel zum Zweck. Wie in den Jahresringen das Gedächtnis des Baumes wurzelt, so spiegeln sich in Altmanns Kunstschaffen seine Lebensschicksale wider, seine Liebe, seine Sehnsüchte und Schmerzen, die Zeit und das Milieu und natürlich auch die Einflüsse der bildenden Kunst.

Zu Beginn seines Studiums an der Akademie traf Jiří Altmann noch Vladimír Silovský an, der in der Tradition der Schule Švabinskýs Nachdruck auf die Kenntnis des „Handwerks“ legte, ohne dabei das natürliche Bestreben der Studenten nach eigenem künstlerischen Ausdruck zu unterdrücken. Und diesen Grundsatz setzte auch Vojtéch Tittelbach fort, der Silovskýs Platz einnahm. Deshalb konnten neben Jiří Altmann gleichzeitig auch so unterschiedliche Persönlichkeiten die Grafikklasse absolvieren wie Jaroslava Severová, Eva Sendlerová oder Petr Hampl. Sein Studium schloss Jiří Altmann mit einem Grafik-Zyklus zu Motiven der Gedichte von François Villon ab, der bereits die für seine Handschrift typischen Merkmale trug: expressiven Ausdruck, dynamisch pralle Formen und verschiedene strukturierte Flächen. Das Thema fesselte ihn derart, dass er sich ihm noch jahrelang in Illustrationen und freien Blättern widmete.

Vielleicht war es gerade die expressive Stimmung und die originelle Verknüpfung von Bild und geschnitzter Schrift, die den Giradet-Verlag in Essen dazu bewegten, Jiří Altmann die Stelle eines Grafikers anzubieten. 1968 verließ er Tschechien und kehrte nach drei Jahren wieder nach Hause zurück. In Deutschland hatte er die Möglichkeit, sich mit der reichen Tradition und den zeitgenössischen Tendenzen der europäischen Grafik bekannt zu machen und sich gleichzeitig in selbstständigen Ausstellungen an zahlreichen Orten vorzustellen. Auch begann er, an internationalen Ausstellungen von Holzschnitten und Holzstichen teilzunehmen. Die Zahl seiner einheimischen Ausstellungen hat erst im vergangenen Jahr die Anzahl seiner Ausstellungen in Deutschland erreicht.

Jiří Altmann zählt von Anfang an zur figurativen Strömung der tschechischen Kunst. Er widmet sich figürlichen Kompositionen, ungeachtet dessen, ob seine Figuren dem Leben entstammen oder symbolische Beutung haben. In ihnen spiegelt sich die Beziehung zu Familie und Mutterschaft wider, aber auch tragische Töne über den Verlust des einzigen Sohnes klingen an. Nach Prag zurückgekehrt und direkt im historischen Stadtzentrum wohnhaft, nahm er den Formenreichtum und das Pittoreske der Paläste, Kirchen, Türme sowie Brücken und Kais wahr und belebte in seinen grafischen Blättern die Stadtvedute. Auch den Porträts galt stets seine Aufmerksamkeit: den psychologischen Porträts seiner Freunde wie dem humorvollen selbstironischen Selbstbildnis. Reisen in die baltischen Staaten – nach Litauen, Estland und Lettland – regten ihn zum Zyklus „Schiffe“ an. Die für einen Verlag bestimmten Illustrationen zu den balladenhaften Sagen und Mythen aus dem Norden wuchsen sich zu einem eigenständigen grafischen Ganzen aus. Im Tuskulum in Černošice, in einem von Wald und Garten umgebenen Atelier hoch über der Beraun (Berounka), wendet er sich der Natur zu, vor allem aber der vergänglichen Schönheit der Blumen. Und ein Vorrat eigenhändig zubereiteter neuer Platten liegt hier auch schon bereit.

 

Blanka Stehlíková 2012